„Aber der Löwe!“ Die häufigsten Argumente gegen Veganismus

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In der heutigen Folge spreche ich über drei weitere Argumente gegen Veganismus – und liefere die Gegenargumente.

Denn der Löwe isst ja auch Fleisch, Fleisch essen hat Tradition und ist Kultur, und wir brauchen doch tierische Produkte für eine ausgewogene Ernährung – oder? Findet es heraus.

Shownotes

Podcast Episode #161 zum Nachlesen

Häufige Argumente gegen Veganismus: Wie du ihnen begegnen kannst

Argument 1: Tiere essen andere Tiere

Dieses Argument kommt mir vor allem in der berühmten Löwen-Form entgegen: „Natürlich esse ich Fleisch. Der Löwe frisst schließlich auch Fleisch.“

Mich interessiert hier vor allem, warum alle immer mit dem Löwen ankommen? Da werden selbst die größten Lokalpatriot*innen plötzlich zu Weltbürger*innen. Die Grundlage stimmt natürlich. Es gibt Tiere, die essen andere Tiere. Ohne an dieser Stelle allzu sehr thematisch in die Anatomie des Menschen abzuweichen, aber der Mensch unterscheidet sich anatomisch von reinen Karnivoren. Karnivore haben große Reißzähne, oftmals scharfe Krallen und einen kurzen Darm. Omnivoren, also Allesfresser, haben hingegen Mahlzähne sowie einen deutlich längeren Darm.

Ein schönes Bild, das Ed an dieser Stelle liefert: würdest mit einem lebendigen Huhn und einem Apfel in einen Raum gesperrt würdest du instinktiv den Apfel essen. Oder anders gesagt: Wenn du wirklich mal mit einem Schwein auf einer einsamen Insel landen solltest –  wird da eine Möhre mitgeliefert – die Wahl fällt immer erst auf das deutlich einfacher verfügbare Essen.

Und damit sind wir beim nächsten Punkt dieses Arguments.

Wenn jemand sagt: „Ich bin wie ein Löwe, ich esse auch Fleisch.“, dann werden alle anderen Aspekte dieses Tieres außer acht gelassen. Ähnlich wie beim Argument: „Wir haben ja immer schon so gegessen“ (darauf kommen wir später) wird ignoriert, dass unser gesamter Lebensstil weder dem eines wilden Tieres noch einer prähistorischen Person gleicht.

Wir fahren Autos, haben eine Krankenversicherung, besitzen Handys, fliegen in den Urlaub. Außerdem machen wir Musik auf abstrusen Instrumenten, tanzen, spielen Schach oder Pokémon Go. Ebenso erforschen wir den Weltraum und brauen Bier.

Nichts davon ist urtümlich oder natürlich, oder?

Die wenigsten Menschen töten das Tier selbst, dessen Fleisch oder andere Produkte, die sie verzehren. Läge es in unserer Natur, Tiere zu töten, hätten wir alle kein Problem damit. Wir würden Bilder von Schlachthäusern nicht vor unseren eigenen oder den Augen unserer Kinder verbergen. Niemand hält seinem Kind die Augen zu, wenn es sieht, wie ein Apfel gepflückt oder eine Brombeere aus den Strauch gesucht wird.

Im Gegenzug nimmt auch niemand sein Kind an einem schönen Samstagnachmittag mit in ein Schlachthaus. Wenn wir keine ethischen Probleme damit hätten, dass – und auf welche Art – Tiere für unseren Konsum gequält und getötet werden, wären wir bei dem Thema ganz entspannt.

Argument 2: Für eine Ausgewogene Ernährung müssen wir tierische Produkte essen

Was uns als vegan lebende Menschen sicherlich ziemlich frustriert, ist dauernd die Behauptung zu hören, dass es ja eigentlich gar nicht möglich sei, ohne tierische Produkte gesund zu leben. Meine unangenehmste Erfahrung, die ich einmal in Berlin hatte, war in einem Gespräch mit einem älteren Ehepaar. Der Mann meinte: „Vegan kann ja gar nicht gesünder sein. Sehen Sie sich doch selber an. Sie sind ja auch schon recht fett.“ Das…hat ganz schön gesessen. Dabei sehe ich mein Kampfgewicht immer als gutes Argument dafür, dass vegan lebende Menschen keine ausgezehrten Zombies sind. Aber gut. Irgendwoher muss diese Annahme ja kommen, dass wir ohne Fleisch, Milch, Käse, Eier und Co. nicht auskommen.

Ein guter Start im Gespräch mit einem Gegenüber ist meiner Meinung nach die Nachfrage: „Was genau brauchen wir an Nährstoffen, die nur aus dem Tier kommen?“

Denn das präzisiert nicht nur das Thema, sondern sagt euch auch, wie gut sich euer Gegenüber mit Ernährung auskennt oder auszukennen denkt.

Ich hatte schon diffuse Antworten wie: „Ja, durch Fleisch kriegen wir Vitamine? Glaub ich?“ Was mir zeigte, dass es einzig und allein Hörensagen war, auf das sich die Person bezogen hat. Die meisten Antworten, auf die ihr stoßen werdet, sind höchstwahrscheinlich folgende: „Proteine, Eisen, Kalzium, Vitamin B12 oder Omega-3-Fettsäuren sind nur in tierischen Produkten zu finden.

Das Gute ist, dass wir im Jahr 2020 nicht nur mehr als genug Studien und Positionspapiere zur Ernährung haben. Wir können offiziell sämtliche Nährstoffe, die wir aus tierischen Produkten bekommen, auch aus Pflanzen bekommen. Sowohl die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), als auch viele weitere Ernährungsgesellschaften sehen eine gut durchgeführte vegane Ernährung als unkritisch an.

Gut, das kann einige Menschen überzeugen, klärt aber die Fragen nicht. Wenn ihr euch mit Ernährungswissenschaften nicht so gut auskennt oder euch Fakten fehlen, müsst ihr nicht verzweifeln. Empfehlt eurem Gegenüber gute Quellen wie die Seite Nutritionfacts.org von Dr. Michael Greger oder die Seite und Videos von Niko Rittenau, die im Detail und sehr verständlich mit sämtlichen Mythen aufräumen. Wenn ihr euch selbst besser informieren möchtet, lest euch rein. Vegan Klischee Ade von Niko haben wir hier im Podcast ja auch schon besprochen, das Buch verkauft sich zu Recht wie geschnitten Brot, und wenn ihr mögt, das Hörbuch dazu kommt bald raus, das durfte ich lesen und es hat mir auch sehr viel beigebracht.

Kritische Nährstoffe in der veganen Ernährung

Bei der Frage nach Proteinen geben euch die Leute eine gute Vorlage: Wenn es keine Proteine in Pflanzen gäbe oder wir daraus keine Muskeln entwickeln könnten, woher bekommen dann die größten und stärksten Pflanzenfresser wie Gorillas, Nashörner, Elefanten, Kühe oder Nilpferde ihre Muskeln?

Klar, wir sind keine Nashörner, und die Menschen vergleichen sich ja ganz gern mit Löwen, wie wir festgestellt haben. Wenn ihr ein konkretes Beispiel nennen möchtet, geht in den Supermarkt oder ins Internet und schreibt euch die Proteingehalte von Linsen, Erbsen, Tofu und so weiter ab. Außerdem sind wir Menschen zu 98 % genetisch mit Gorillas identisch.

Im Gegenzug wird, so steht es auch in Ed’s Ebook, der starke Konsum von tierischen Produkten mit den häufigsten Zivilisationskrankheiten in Verbindung gebracht. Dazu zählen Herzerkrankungen, Diabetes Typ 2, viele Krebsarten, Schlaganfall, Bluthochdruck, Demenz und Osteoporose.

Vielen dieser Krankheitsbilder kann durch eine pflanzliche Ernährung nicht nur vorgebeugt werden. Vielmehr können sie sogar reversiert oder geheilt werden. Gute Empfehlungen für Dokumentationen sind hier „Forks over Knives“ oder „What The Health“, den ihr sogar auf Netflix findet. Wenn ihr ansonsten ein Handy mit Internet dabei habt, zeigt eurem Gegenüber vegane Athleth*innen, wie Profisurferin Tia Blanco, Tennisspielerin Venus Williams, Sprinterin Morgan Mitchell, Strongman Patrik Baboumian oder Formel 1 Fahrer Lewis Hamilton. Mit diesen Beispielen könnt ihr eine Diskussion manchmal erleichtern. Insbesondere wenn ihr keine Erfahrung im Ernährungsbereich habt. Dann verweist einfach auf Quellen.

Wir müssen schließlich auch keine IT Fachleute sein, um einen Computer zu benutzen, gelle?

Wenn es euch wichtig ist, merkt euch ein paar Lebensmittel oder Lebensmittelgruppen, die reich an Nährstoffen sind. Beim Thema Vitamin B12, wenn euer Gegenüber vielleicht sogar sagen sollte: „Es ist unnatürlich, Vitamin B12 zu supplementieren und über eine Kapsel zu schlucken.“, könnt ihr gern mit zwei Punkten kontern:

  1. Ebenso vegetarisch, wie auch mischköstlich lebende Menschen können an einem Vitamin B12 Mangel leiden.
  2. Vitamin B12 wird den meisten Tierfuttern beigemischt.

Ob wir also Vitamin B12 indirekt über das Tier „supplementieren“ oder direkt aus pflanzlicher Quelle – tja, das zweite klingt effizienter. Außerdem ist dem Supplement keinerlei Antibiotikum zugesetzt, im Gegensatz zum Tierprodukt.

Die direkte Zufuhr ist auch bei Omega-3-Fettsäuren und deren Supplementierung anzuführen. Omega-3 aus z.B. Algenöl zuzuführen, anstatt es über Fischfleisch zu bekommen, welches oftmals mit Schwermetallen belastet ist, ist deutlich effizienter. Außerdem belaste ich dadurch nicht die Meere, und es müssen keine Tiere sterben.

Und nochmal kurz zur sogenannten „Unnatürlichkeit“ des Supplementierens:

Schaut euch mal an, wie Bananen ursprünglich aussahen, oder Brokkoli.;-) Dass wir heute in einem Auto oder Fahrrad in den Supermarkt fahren, dort Essen nur kaufen müssen, mit unserer Kreditkarte bezahlen, ist nicht natürlich. Krankenversicherung ist nicht natürlich, Handys ebenso wenig, oder Toiletten. Über all das beschweren wir uns allerdings kaum.

Natürlichkeit heißt nicht, dass etwas automatisch besser oder schlechter ist.

Argument 3: Tiere zu essen ist Teil der Tradition und Kultur

Dieses Argument ist auf den ersten Blick tricky. Denn – ja, das stimmt. Die meisten Kulturen essen tierische Produkte seit sehr langer Zeit. Tradition bedeutet einfach nur, dass wir Dinge seit möglicherweise sehr langer Zeit machen. Das rechtfertigt aber erstmal gar nichts. Es war Tradition, dass Frauen nicht wählen durften. Sklaverei hat Tradition. Weibliche Genitalverstümmelung hat Tradition. Das Hundefleisch Festival in Yulin in China hat ebenso Tradition, wie das Robbenschlachten in Neufundland. Eine Tradition sagt nichts darüber aus, ob etwas ethisch vertretbar ist, nur, ob es schon mal jemand gemacht hat. Nur weil euer Opa und Uropa beide unglaublich gern in der Nase gebohrt haben, heißt das nicht, dass ihr es auch machen müsst, weil es „Familientradition“ ist.

Und kulturelle Bräuche sind auch nichts anderes als überlieferte Traditionen. Gewisse Handlungsmuster, die von kleineren oder größeren Gruppen praktiziert werden. Auch hier – nur weil es möglicherweise viele machen, heißt das nicht direkt, dass es richtig sein muss, oder? Wenn alle anderen in deinem Umfeld Kinder schlagen oder Hundebabies in Brand stecken, heißt das nicht, dass es richtig ist, oder?

Fragestellung ist auch hier ein gutes Mittel im Gespräch.